May 15, 2020

Weltweit immer gefragter

Interview mit Jens Schlüter, Leiter Vertrieb & Marketing; DREHTAINER GmbH. Aus: wehrtechnik; 05/2020; Mönch Verlagsgesellschaft mbH

Die DREHTAINER GmbH kann auf eine langjährige Geschichte in der Entwicklung und Herstellung von Spezialcontainern und Spezialfahrzeugkomponenten zurückblicken, sagte Jens Schlüter, Leiter Vertrieb und Marketing, in einem Gespräch mit wt im Januar. "DREHTAINER entwickelt und produziert einzigartige modulare Systeme für Infrastrukturen und Fahrzeuge, deren Schutzniveau durch unterschiedliche Integrationsstufen individuell angepasst werden kann." Der in Lüttow-Valluhn im Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern ansässige Containerspezialist beliefert nicht nur zahlreiche Nato-Streitkräfte und OEMs der Verteidigungs- sowie Luft- und Raumfahrtindustrie mit Schutzinfrastrukturen, Gefechtsständen und einsatzkritischen mobilen Schutz- und Rettungssystemen. Auch anspruchsvolle Entwicklungen für die Nukleartechnik sowie Spezialcontainer und Hebezeuge für industrielle Anwendungen gehören zum Portfolio des Unternehmens.



wt: Welche Innovationen verbergen sich hinter den Systemlösungen aus dem Hause DREHTAINER?

DREHTAINER ist Entwickler und Hersteller von Spezialcontainern. Unsere Produkte sind jedoch nicht als bloße Umbauten handelsüblicher Boxcontainer zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um maßgeschneiderte Sonderlösungen.
Elementare Eigenschaft vieler DREHTAINER-Lösungen ist der Schutz. Dieser bezieht sich unter anderem auf ballistische Bedrohungen, aber auch Blast, CBRN und Abstrahlsicherheit. Über die Jahre wurden unzählige Teste durchgeführt, wodurch sich DREHTAINER eine einzigartige Expertise aufbauen konnte, dank derer im Einsatzland bereits mehrfach bei direkten Raketentreffern Leben gerettet wurde.
Weitere wichtige Eigenschaft ist die Modularität. Das von DREHTAINER entwickelte Kopplungssystem ist tausendfach erprobt und ermöglicht die Verbindung von Containern untereinander, um geschützte und geschirmte Gebäude zu errichten.

Blast-Test für geschützte DREHTAINER-Container mit 1.000 kg TNT im Abstand von 35 m.

wt: Wie wirken sich neuartige Technologien – neue Materialien etwa für einen verbesserten ballistischen Schutz – auf das Design aktueller und zukünftiger Produkte aus?

Schlüter: Als klassischer metallverarbeitender Betrieb verlassen wir uns primär auf unser Know-How in der Umsetzung ballistischen Schutzes mithilfe von Stahl. Hier konnten wir in den vergangenen Jahren Lösungen entwickeln, die selbst Direkttreffern von Raketen (107mm, 122 mm) standhalten.
Besondere Anforderungen unserer Kunden führen oftmals dazu, dass wir unsere herkömmlichen Schutzlösungen überdenken und weiterentwickeln müssen. So stehen beispielsweise bei gewichtskritischen Lösungen, etwa für den aufgesetzten Betrieb im Bereich von Gefechtsständen das Gewicht der Containerstruktur und der geforderte Schutz in direkter Abhängigkeit zueinander. Um das notwendige Gewichtslimit einzuhalten, kommen unter anderem Spezialkeramiken oder Verbundwerkstoffe zum Einsatz, die in Kombination mit unserer Stahlkonstruktion den geforderten Schutz erreichen.

wt: Wenn wir Bezug auf aktuelle Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr nehmen, was kann DREHTAINER konkret dem Kunden beistellen? Was macht die hierfür in Ihrem Hause verfügbaren Produktlösungen so einzigartig und was bedeutet dies für den deutschen Nutzer?

Schlüter: Hier lässt sich ein ganz besonderes Projekt herausgreifen, in dessen Umsetzung wir maßgeblich involviert sind. Im Rahmen des Beschaffungsvorhabens taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS) gehört DREHTAINER zu den Partnern, die mit der Entwicklung und Fertigung der Gefechtsstandscontainer für das Teilprojekt MC4IS (Mission Command and Control, Communications, Computing Intelligence System, Gefechts- und Leitstand) betraut sind. Die Container bzw. die finalen Gefechtsstandsmodule weisen vielerlei herausfordernde Besonderheiten auf, die unser Team zu bewältigen hat.

Betriebsbereiter gekoppelter Gefechts- und Leitstand für das taktische Luftverteidigungssystem.

Der vergleichsweise hohe ballistische Schutz für die Containerhülle geht, wie weiter oben bereits beschrieben, einher mit einer sehr strikten Gewichtsbegrenzung. Neben ballistischen Bedrohungen ist es aber vor allem die Abstrahlsicherheit, die den Schutz für die Containerlösungen des TLVS ausmacht. Besondere Herausforderung hierbei ist, dass bis zu drei Container untereinander zu größeren Funktionsmodulen gekoppelt werden können. Die HF-Schirmung muss dabei gleichermaßen sowohl für Einzelcontainer, als auch für gekoppelte Gefechtsstandsmodule gewährleistet werden.

Die wohl größte Herausforderung stellt jedoch die beschriebene mechanische Kopplung der Container im aufgesetzten Betrieb dar. Diese Modularität soll zudem einhergehen mit einer maximalen Mobilität, um durch kurze Auf- und Abbauzeiten auch häufige Stellungswechsel, eine hohe taktische Verlegefähigkeit sowie schnelle Einsatzbereitschaft zu ermöglichen.

Um diese Forderung umzusetzen, findet das von DREHTAINER entwickelte mobile Kopplungssystem Einzug in das TLVS-Projekt. Zentrale Komponente des Systems ist der Verschieberahmen, der zwischen Trägerfahrzeug und Container montiert wird. Durch ihn ist es möglich, den aufgesetzten Container in alle Richtungen zu verschieben und gleichzeitig anzuheben, um so einerseits den Abstand zur benachbarten Zelle zu überwinden, aber auch Höhenunterschiede, Geländeunebenheiten oder Gefälle auszugleichen. Mit dieser Systemlösung werden alle Kernforderungen umfassend erfüllt und die Leistungsstärke und zukunftsorientierte Ausrichtung des MC4IS des Gesamtsystems TLVS unterstrichen.

wt: Wenn wir geografisch „über den Tellerrand“ schauen und den NATO-Raum und aktuelle Beschaffungsvorhaben betrachten, erwarten Sie in den kommenden Jahren insgesamt einen steigenden Bedarf für modulare Containerlösungen?

Britischer F-35-Gefechtsstand DSAPF für die Truppenerprobung sowie Ausbildung und Training von Bodenpersonal und Piloten.

Schlüter: Absolut! Container sind aus den Streitkräften weltweit nicht mehr wegzudenken. Ihre Vielseitigkeit, Modularität und Mobilität machen Sie unter anderem zu einem fundamentalen Baustein der Feldlagerinfrastruktur. DREHTAINER-Produkte, wie geschützte ein- und zweistöckige Gebäude sowie Sicherheits- und Kontrolleinrichtungen sind zwar weltweit immer gefragter; sowohl national als auch international sind aber Gefechtsstandslösungen der derzeit wichtigste Anwendungsbereich für Container.

Hier sind für uns vor allem diejenigen Nationen herauszuheben, die über den neuen Joint Strike Fighter F-35 Lightning II verfügen, oder diesen derzeit beschaffen. Bei den bereits gelieferten F-35-Gefechtsständen für die Niederlande und Großbritannien handelt es sich um erste Produkte einer Serie.
Maßgebliche Forderungen nach Datensicherheit und HF-Schirmung wurden – für alle F-35-Nutzer bindend – von den zuständigen amerikanischen Behörden formuliert. Aufgrund des darauf basierenden und zertifizierten, von DREHTAINER entwickelten Gesamtkonzepts sind wir bereits mit weiteren gegenwärtigen als auch zukünftigen europäischen Nutzernationen des F-35 in Gesprächen.

Interview: Stefan Nitschke, Mönch Verlagsgesellschaft mbH

Titelfoto: Mönch Verlagsgesellschaft mbH

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